Die politische Reproduktion von Rollenbildern in der Öffentlichkeit

Vanessa Wiener

Vergeschlechtlichte Rollenbilder kommen nicht aus dem luftleeren Raum. Sie werden von Medien hergestellt und reproduziert. Es braucht eine Medienkultur, die sich dieser Tatsache bewusst wird. 

Im Jahr 1975 rief die UNO- Generalversammlung das „Jahr der Frau“ aus. Die von Erich Küchenhoff herausgegebene Studie über die „Darstellung der Frau und die Behandlung von Frauenfragen im Fernsehen“, war der Auftakt, der die Frauen- und Geschlechterforschung in die Medien- und Kommunikationsmittel brachte. Die darauffolgende UN-Frauendekade und vier Weltfrauenkonferenzen boten bis in die Mitte der 1990er-Jahre ein positives politisches Umfeld für feministische Medienkritik sowie für Untersuchungen von Medienproduktion, Medieninhalten und Medienrezeption aus der Geschlechterperspektive.

Die Wissenschaftlerinnen Elizabeth Prommer und Christine Linke kamen in ihrer Studie aus dem Jahr 2017 ebenfalls auf ähnliche Befunde, wie die vorher schon erwähnte Küchenhoff- Studie. Nach der Auswertung von ca 3000 Stunden aus den verschiedensten Programmen (öffentlich-rechtlichen und privaten Sendern) waren die Ergebnisse wie folgt: 

 

  • Frauen* sind deutlich unterrepräsentiert, Männer kommen ca. doppelt so oft vor.

 

  • Wenn Frauen* gezeigt werden, kommen sie im Vergleich zu Männern mehr als doppelt so häufig im Kontext von Beziehung und Partnerschaft vor 

 

  • Männer erklären die Welt: Sie sind Experten, Moderatoren, Sprecher und Journalisten. Nur jede/r dritte Hauptakteur*in ist weiblich. 

 

  • Wenn Frauen* vorkommen, dann vor dem 30. Lebensjahr, alle Frauen* über diesem durchschnittlichen Altern verschwinden schrittweise vom Bildschirm. 

 

In der erwähnten Studie wurde auch das Kinderfernsehen untersucht. Die Zahl der männlichen Figuren ist deutlich höher, zumeist ist nur eine von vier Figuren weiblich. Auch im Kinderfernsehen ist das männliche Geschlecht stärker repräsentiert, männliche Figuren sind problemlösender, strategisch durchdachter und im Auftreten markanter. 

Früher wie heute stehen diese stereotypischen Darstellungen in der Kritik – gerade innerhalb der organisierten Frauen*bewegung. Die Frage ist nun: Ändert sich das bald? 

Obwohl sich die Repräsentation von Frauen* (bspw. in Wirtschaft oder Politik) in den letzten Jahrzehnten schrittweise verbessert hat, bleibt dies fast ohne Auswirkung auf die Repräsentation der Geschlechter in den Medien.  Stereotype Geschlechterbilder von Frauen* und Männern sind bis heute in allen journalistischen Gattungen und mehr noch in der Werbung zu finden. 

 

“In den Medien wird Feminismus als Frage der Selbstverwirklichung bzw. als Lifestyle-Frage verhandelt, alle sozioökonomischen Dimensionen des feministischen Kampfes werden ausgeblendet.”

Der Kleidungsfeminismus 

Unter „Femvertising“ versteht man Strategien, Produkte oder Dienstleistungen, die unter dem Label „Feminismus“ beworben werden, um möglichst profitbringend zu sein. Egal ob McDonalds, Dove oder Mercedes Benz: sie alle haben in den letzten 5 Jahren Femvertising betrieben – die scheinbar gute Absicht ist hier nur Mittel zum Profit.

In den verschiedenen Kampagnen (wie Doves „Campaign for real beauty“) sind Protagonistinnen im Vordergrund, die nicht den scheinbaren Schönheitsidealen entsprechen, sondern authentisch und divers wirken. Diese Werbebotschaften geben oftmals eine kräftige Dosis „Empowerment“ mit auf den Weg – natürlich immer mit einem neoliberalen Selbstoptimierungsgedanken garniert. Es wirkt, als wäre durch diese Art von Werbung das Patriachat bekämpft, jeden Tag Weltfrauentag und alle wären gleichgestellt – die Realität sieht freilich anders aus. In den Medien wird Feminismus als Frage der Selbstverwirklichung bzw. als Lifestyle-Frage verhandelt, alle sozioökonomischen Dimensionen des feministischen Kampfes werden ausgeblendet. 

Nancy Fraser stellt fest, das kulturelle Veränderung zwar grundsätzlich wünschenswert sind, aber Kategorien wie Mode, Kleidung bzw. Interessen wie Musikgeschmack eher eine individuelle Frage sind. Und obwohl Solidarität gewissermaßen das Gegenstück zu Individualität ist, schließen sich diese Begriffe nicht gegenseitig aus. „Wird im Feminismus die Individualität überbetont, so könne dies zulasten der Solidarität unter Frauen gehen...“  so Nancy Fraser. 


 

Die Kritik an „Femvertisting“

Um politische Ziele nachhaltig zu erreichen, ist Solidarität unter Frauen* unabdingbar. Denn während in Medien scheinbar starke, unabhängige und perfekte Frauen* präsentiert werden, sind wir in der Realität noch weit weg von der Gleichstellung der Frau*. Der Gender-Pay- Gap zeigt eine noch immer enorm auseinanderklaffende Einkommensschere auf, im Privaten übernehmen Frauen* immer noch den großen Teil der unbezahlten (Care-) Arbeit und zusätzlich sind Frauen* häufiger und stärker von Altersarmut betroffen. 

Die unbequemen Aspekte eines kritischen, materialistischen Feminismus werden strategisch aus der Werbung gehalten, denn diese lassen sich kaum im Sinne des Kapitals instrumentalisieren.

Femvertisting versucht genau das zu bewirken: Den Feminismus als Lifestyle-Frage zu verhandeln und dadurch die Motivation zum Kauf eines Produkts zu erhöhen.

Kurz gesagt: Mit unschönen Wahrheiten wird nicht geworben, denn das kann man nicht verkaufen. Der Konflikt zwischen der Werbeindustrie und dem Feminismus ist leicht nachvollziehbar. Medien versuchen eher eine unterhaltsame, pseudopolitische Geschichte zu erzählen, als für einen wirklich kritischen Feminismus zu werben.

Fakt ist: Eine oberflächliche Repräsentation von Vielfalt reicht nicht aus, es sind die systematischen sozialen und ökonomischen Ungleichheitsstrukturen, die diese Vielfalt verhindern, die mehr beleuchtet werden müssen. Wir brauchen eine Medienkultur, die diesem Faktum Rechnung trägt und nicht länger einen konzerngerechten Feminismus repräsentiert.